Psychiatrie und Psychotherapie
Die Anzahl älterer und chronisch kranker Patientinnen und Patienten nimmt auch im Fachgebiet „Psychiatrie und Psychotherapie“ kontinuierlich zu. Deren intensive Versorgung gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Die notwendige Verkürzung der Liegezeiten im stationären Bereich führt darüber hinaus zu einer zunehmenden Verlagerung der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung in den ambulanten Bereich.
Dabei spielen die Versorgung der Patientinnen und Patienten in deren gewohnten Lebensumfeld und die Erhaltung der personellen Behandlungskontinuität eine besondere Rolle. Versorgungsmodelle mit der Möglichkeit, intensivierte ambulante Behandlung zu gewährleisten, wurden durch Veränderung der Rahmenbedingungen im SGB V auf den Weg gebracht.
Eine wichtige Rolle in der ambulanten Behandlung der genannten Patientengruppe durch Vertragsärztinnen und -ärzte spielen in den Vertragsarztpraxen tätige Medizinische Fachangestellte. Sie können Koordinierungsfunktionen übernehmen und delegierbare Leistungen unter der Behandlungsleitung der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes ausführen.
Es ist somit erforderlich, dass Medizinische Fachangestellte entsprechende Handlungskompetenzen erlangen.
Folgende Handlungskompetenzen werden vermittelt.
Medizinische Fachangestellte
- wirken bei der Vorbereitung, Überwachung und Nachbereitung von Diagnose- sowie Therapiemaßnahmen fach- und situationsgerecht mit,
- erfassen und dokumentieren bei chronischen und zumeist progredient neuropsychiatrischen Erkrankungen die Ressourcen und Defizite bei Patientinnen und Patienten mit Hilfe standardisierter Tests,
- leiten bei der Medikamenteneinnahme an, überwachen und dokumentieren diese,
- unterstützen Ärztinnen und Ärzte bei der Vorbereitung von Fallkonferenzen,
- können Notfallsituationen erkennen und entsprechende Maßnahmen mit ärztlicher Absprache einleiten sowie in besonderen Situationen angemessen reagieren und kommunizieren,
- können Stigmata und Besonderheiten psychiatrisch Erkrankter einordnen und reagieren sowie kommunizieren situationsgerecht mit den Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen,
- führen Haus- und Heimbesuche im Auftrag des Arztes/der Ärztin durch,
- koordinieren die Behandlungsmaßnahmen im Gesamtkontext der bio-psycho-sozialen Versorgung,
- vermitteln und organisieren gruppentherapeutische Angebote im Versorgungsbereich,
- ordnen das Lebensumfeld von Patientinnen und Patienten ggf. unter Einbeziehung relevanter Bezugspersonen situationsgerecht ein,
- beraten und unterstützen Patientinnen und Patienten bei präventiven Maßnahmen,
- wirken bei Schulungs- und Psychoedukationsmaßnahmen für Patientinnen und Patienten und deren Angehörige mit und planen deren Durchführung,
- leisten Beratung und Unterstützung in sozialen Fragen, z. B. zur Hilfsmittelversorgung, zu Versorgungsamtsleistungen, zur Rehabilitation, zu Selbsthilfegruppen, Teilhabeleistungen etc.,
- pflegen die Kontakte und Netzwerke zu anderen Versorgungseinrichtungen und/oder Beratungsstellen und vermitteln die Patientinnen und Patienten entsprechend,
- setzen im Sinne des „lebenslangen Lernens“ neues Wissen, neue Methoden sowie Arbeitstechniken und -verfahren selbstständig um.
Die Fortbildung ist mit 80 Unterrichtseinheiten (UE) in Form einer berufsbegleitenden Fortbildung strukturiert, die fachtheoretischen und fachpraktischen Unterricht umfasst.
Die Teilnahme an der Fortbildung setzt
- die Berufsausbildung und erfolgreiche Prüfung zur/zum Medizinischen Fachangestellten
oder
- die Berufsausbildung und erfolgreiche Prüfung zur/zum Arzthelfer/in
oder
- die Berufsausbildung und erfolgreiche Prüfung nach dem Pflegeberufegesetz
oder
- die Berufsausbildung und erfolgreiche Prüfung in einem vergleichbaren geregelten Gesundheitsberuf oder Gesundheitsfachberuf
und
- eine mindestens 2-jährige Tätigkeit in der ambulanten oder stationären psychiatrischen bzw. nervenärztlichen Versorgung
voraus.
Überblick über Inhalte und Stundenverteilung
Fachtheoretischer und fachpraktischer Unterricht | 80 | Unterrichtseinheiten (UE) |
Modul 1: Kommunikation und Gesprächsführung* | 8 | UE |
Modul 2: Wahrnehmung und Motivation* | 8 | UE |
Modul 3: Basiswissen neuro-psychiatrischer Erkrankungen und Komorbiditäten* | 6 | UE |
Modul 4: Notfälle – internistische, neurologische und psychiatrische Notfälle* | 4 | UE |
Modul 5: Psychiatrisch-psychotherapeutische Diagnostik und Verlaufskontrolle | 3 | UE |
Modul 6: Fachspezifische Behandlungsstrategien | 3 | UE |
Modul 7: Unterstützungsangebote vermitteln* | 4 | UE |
Modul 8: Sozialmedizinische Aspekte der Versorgung von Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen, Einbezug weiterer SGB* | 2 | UE |
Modul 9: Rezidivprophylaktische Maßnahmen / Vermeidung von Zwangsmaßnahmen* | 4 | UE |
Modul 10: Arzneimittel-, Heil- und Hilfsmittelverordnungen* | 2 | UE |
Modul 11: Rechtliche Aspekte in der Psychiatrie und Neurologie* | 4 | UE |
Modul 12: Prävention psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen* | 4 | UE |
Modul 13: Spezialwissen psychiatrischer Erkrankungen und Komorbiditäten – Vertiefung der Kenntnisse über Erkrankungen im Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie aus Modul 3 | 20 | UE |
Modul 14: Spezialwissen Demenz* | 8 | UE |
Gesamt | 80 | UE |
*Die Module 1-4, 7-12 sowie 14 entsprechen inhaltlich und vom Umfang dem Musterfortbildungscurriculum „Neurologie“ für Medizinische Fachangestellte und sind wechselseitig anrechnungsfähig.
Die Fortbildung ist innerhalb von drei Jahren zu absolvieren.
Anerkennung
Das vorliegende Musterfortbildungscurriculum „Psychiatrie und Psychotherapie“ beinhaltet Module (1-4, 7-12 und 14), die inhaltlich und vom Umfang dem Musterfortbildungscurriculum „Neurologie“ für Medizinische Fachangestellte entsprechen und wechselseitig anrechnungsfähig sind. Gegebenenfalls kann ein Teil der Lernerfolgskontrolle entfallen.
Das Musterfortbildungscurriculum kann als Wahlteil für die Aufstiegsfortbildung „Fachwirt/-in für ambulante medizinische Versorgung“ (geprüfter Berufsspezialist / geprüfte Berufsspezialistin für ambulante medizinische Versorgung) gemäß § 1 Abs. 4 in Verbindung mit § 54 Berufsbildungsgesetz durch die Landesärztekammer anerkannt werden.